Erfahrungsbericht einer leitenden Oberärztin
Als ich 2008 leitende Oberärztin einer Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie an einem Haus der Schwerpunktversorgung wurde, hatte ich meine beruflichen Ziele und Wünsche erreicht. Meine berufliche Tätigkeit füllt mich voll und ganz aus und bereitet mir sehr viel Freude. Insofern stand für mich auch nie zur Diskussion, dass ich, wenn ich einmal schwanger werden sollte, vorzeitig meine Berufstätigkeit vorübergehend aufgebe. Für mich besteht der Grundsatz: Wenn eine Schwangerschaft normal, ohne Komplikationen für Mutter und Kind verläuft, ist eine Schwangerschaft keine Erkrankung, sondern ein glücklicher Umstand, der berücksichtigt werden muss.
Als sich im April 2014 der Schwangerschaftstest positiv zeigte, schöpften mein Mann und ich nach zwei Fehlgeburten doch noch mal die große Hoffnung, dass sich unser Wunsch nach einem Kind erfüllt. Und da ich damals bereits 43 Jahre alt war, war uns bewusst, dass sich nicht mehr viele Möglichkeiten ergeben werden. Aufgrund dessen weihte ich auch im Vertrauen bereits früh meinen Chefarzt ein, allerdings nicht in seiner Funktion als mein Vorgesetzter, sondern als väterlicher Freund. Da mir das Mutterschutzgesetz bekannt war, bat ich jedoch um Stillschweigen, da ich mir im Klaren war, dass ich zum Schutz des ungeborenen Lebens unverzüglich vom Arbeitgeber von meiner operativen Tätigkeit entbunden werden würde.
Durch die mir bekannte Auslegung des Mutterschutzgesetzes durch den Arbeitgeber fühlte ich mich in meiner persönlichen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt und reglementiert. Andererseits habe ich Verständnis für die Position des Arbeitgebers, der sich eindeutig rechtlich absichern muss. Der Gedanke, dass ich bei Bekanntgabe der Schwangerschaft nicht mehr operieren dürfte, betrübte mich jedoch sehr. Ich wollte nicht nur am Schreibtisch meine Arbeitszeit absitzen oder Telefon- und Konsildienste übernehmen. Es bedeutete zugleich, dass ich auch meiner Aufgabe als leitende Oberärztin nicht mehr voll und ganz nachkommen konnte.
Von wenigen Kolleginnen aus anderen Kliniken wusste ich, dass ein Weiteroperieren auch in der Schwangerschaft möglich ist. Die genauen Voraussetzungen kannte ich jedoch nicht. So setzte ich bis zum 6. Monat unter Berücksichtigung besonderer Umstände meine operative Tätigkeit fort, das heißt, ich habe nur elektive Eingriffe in überschaubarem Zeitrahmen von maximal vier Stunden vorgenommen, habe auf Mithilfe bei der Lagerung und auf intraoperative Röntgendiagnostik verzichtet und persönliche Schutzmaßnahmen (Lupenbrille, doppelte Handschuhe) ergriffen.
Parallel recherchierte ich im Internet zum Thema: Operieren in der Schwangerschaft. Dabei wurde ich auf die FamSurg-Preisträger 2014, Maya Niethard und Stefanie Donner, aufmerksam. Unter ihrer Regie war bereits viel zu diesem Thema zusammengetragen worden. Da mir aus meiner eigenen Erfahrung das Thema „Operieren in der Schwangerschaft“ sehr am Herzen liegt, nahm ich Kontakt zu Maya Niethard auf, um Sie bei der Realisierung und Öffentlichkeitsarbeit auch in meiner Funktion als Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu unterstützen.
Ende des 6. Monats, als auch ein kleiner Babybauch nicht mehr zu übersehen war, beendete ich nach offizieller Bekanntgabe meiner Schwangerschaft meine berufliche Tätigkeit und habe am 28.12.2014 einen gesunden Jungen zur Welt gebracht.
Anonyme Autorin, Leitende Oberärztin einer Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie