OP-Umfeld

Nach Bekanntgabe einer Schwangerschaft muss eine individuelle Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden, in der die ärztlichen Tätigkeiten bewertet und ggf. zu treffende Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Für das OP-Umfeld leiten sich hierbei erforderliche Maßnahmen ab, die das Operieren in der Schwangerschaft möglich machen.

  • Keine stehenden Tätigkeiten über 4 Stunden nach Ablauf des 5. Schwangerschaftsmonats
  • Bereitstellung einer Sitzgelegenheit
  • Einsatz bei elektiven und weniger anstrengenden Operationen 
  • Keine schweren körperlichen Arbeiten ausführen, das Tragen von Lasten von mehr als 5 kg delegieren (z.B. bei Lagerungstätigkeiten)
  • Eigenschutz zur Infektionsprophylaxe beachten: Tragen von geeigneten Schutzhandschuhen (z. B. doppelte Indikatorhandschuhe), Schutzbrillen (Visier)
  • Verpflichtendes präoperatives Screening der Patienten und Patientinnen für HCV und HIV
  • Teilnahme bei infektiösen Eingriffen nur bei kontrolliertem Infektgeschehen und unter Einsatz adäquater persönlicher Schutzausrüstung
  • Keine Tätigkeit in beengtem Operationssitus
  • Keine OP-Tätigkeit mit unterbrochener Sichtkontrolle
  • Einsatz stichsicherer Instrumentarien, sofern operationstechnisch möglich
  • Eine Arbeitszeit von 8,5 Stunden pro Tag und die Nachtruhe zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr müssen eingehalten werden
  • Anpassung der Narkoseführung bei schwangeren Mitarbeiterinnen im OP
  • Keine Tätigkeiten mit Nothilfecharakter
  • Bereitstellung eines chirurgischen Backups für ggf. eintretende Notfallsituationen im OP und für akute gesundheitliche Probleme der Schwangeren

Narkoseführung in der Schwangerschaft

Narkosegase oder Inhalationsnarkotika zählen zu den Gefahrenstoffen. Man unterscheidet bei den inhalativen Narkotika: Lachgas, halogenierte Kohlenwasserstoffe Ether (Desfluran, Enfluran, Isofluran, Sevofluran) sowie Xenon.

In Räumen, in denen mit Narkosemitteln gearbeitet wird, können werdende oder stillende Mütter schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Gasen und Dämpfen im Sinne des Mutterschutzgesetzes § 11, Absatz 1 ausgesetzt sein.

In einer Empfehlung der BDA Kommission „Gesundheitsschutz am anästhesiologischen Arbeitsplatz“ [1] wurde eine Positivliste erstellt. In dem Bereich „Anästhesie und Schmerztherapie“ wurden unter Punkt 13 die Durchführung, Überwachung und Dokumentation aller Formen von intravenösen Anästhesien und unter Punkt 14 die Durchführung, Überwachung und Dokumentation von Inhalationsanästhesien unter kontinuierlicher Leckage-Kontrolle und Beachtung der BG/BIA-Empfehlung 1017 aufgelistet. Die Durchführung von Regionalanästhesien ist erlaubt, sofern die Verwendung von stichsicheren Instrumenten möglich ist. Eine Aktualisierung der Empfehlungen wurde nach Novellierung des Mutterschutzgesetzes 2018 vorgenommen. 

Die potentiell schädigenden Effekte der volatilen Anästhetika werden als Gefahrstoffe nach sicherheitsrelevanten (entzündlichen, explosiven, umweltgefährdenden) und toxikologischen (gesundheitsschädlichen, giftigen, krebserzeugenden, erbgutverändernden) Kriterien unterschieden.

Im Rahmen des Arbeitsschutzes haben die zuständigen Behörden Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) für Narkosegaskonzentrationen am Arbeitsplatz festgelegt.

Tierexperimentelle und toxikologische Studien zeigen, dass für Schwangere und Stillende keine Gefährdung besteht, sofern bei der Verwendung klinisch üblicher Narkosegase die Grenzwerte eingehalten werden [2, 3, 4, 5, 6, 7]. Eine mutagene oder karzinogene Wirkung ist beim Menschen nicht belegt. Lediglich für Halothan wurde in Studien trächtiger Ratten eine fruchtschädigende Wirkung nachgewiesen [8]. Eine Anwendung durch Schwangere ist daher nicht erlaubt.

Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ist verpflichtet, sich an die detaillierten Vorschriften der technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zu halten, um Überschreitungen der Grenzwerte am Arbeitsplatz weitestgehend auszuschließen. Voraussetzung sind leckagearme Narkosesysteme einschließlich der Schnittstellen zu den tiefen Atemwegen des Patienten. Durch eine intravenöse Narkoseinduktion und den generellen Verzicht auf Maskennarkosen wird das Risiko der Arbeitsplatzkontamination für Schwangere weiter minimiert. Dies gilt aufgrund des ungünstigen Verhältnisses von inspiratorischer Lachgaskonzentration zu seinem AGW auch für den Verzicht auf Lachgas [9,10]. In Aufwachräumen mit Klimatisierung besteht bei den modernen volatilen Anästhetika keine Gefahr erhöhter Belastung [11]

Praktische Umsetzung

Da es für kein auf dem Markt erhältliches und in der Praxis gängiges Inhalationsnarkotikum einen Grenzwert gibt, wird empfohlen, ausschließlich bei Patienten operativ tätig zu sein, die entweder eine Totale Intravenöse Anästhesie (TIVA) oder eine Regionalanästhesie erhalten.


Literatur 

[1] Arbeitsplatz für schwangere  Ärztinnen in der Anästhesie und Intensivmedizin, Empfehlung der BDA-Kommission „Gesundheitsschutz am anästhesiologischen Arbeitsplatz“. Anästh Intensivmed 2014;55: 132-142

[2] Buring JE, Hennekens CH, Mayrent SL, Rosner B, Greenberg ER, Colton T: Health experiences of operating room personnel. Anesthesiology 1985; 62: 325-30 


[3] Tannenbaum TN, Goldberg RJ: Exposure to anesthetic gases and reproductive outcome: a review of the epidemiologic literature. J Occup Med 1985; 27:659-68

[4] Guirguis SS, Roy ML Pelmear PL, Wong l: Health effects associated with 
exposure to anesthestic gases in Ontario hospital personnel.
Br J Ind Med 1990; 47:490-97

[5] Rowland As, Baird DD, Weinberg CR, Shore DL, Shy CM, Wilcox AJ: Reduced fertility among women employed
as dental assistants exposed to high levels of nitrous oxide. N Engl J Med 1992; 327:993-97

[6] Rowland As, Baird DD, Shore DL, Weinberg CR, Savitz DA, Wilcox AJ: Nitrous oxide and spontaneous abortion in female dental assistants. Am J Epidemiol 1995; 141:531-38

[7] Boivin J: Risk of spontaneous abortion in women occupationally exposed to anesthetic gases: a meta- analysis. Occup Environ Med 1997; 54:541-48

[8] Coate WB, Kapp RW, Lewis TR: Chronic exposure to low concentrations of halothanenitrous oxide: Reproductive and cytogenetic effects in the rat. Anesthesiology 1979; 50:310-18

[9] Biermann E, Erb Th, Hack G, Hagemann H, Hobhahn J, Mertens E, Pothmann W, Schäffer R, Wendt M: Umsetzung der Gefahrstoffverordnung. Empfehlung der BDA-Kommission „Gesundheitsschutz am anästhesiologischen Arbeitsplatz“. Anästh Intensmed 2003; 44:327-333

[10] BIA/BG-Empfehlungen zur  Überwachung von Arbeitsbereichen Anästhesiearbeitsplätze – Operationssäle. BIA-Arbeitsmappe 24, LFG.III/00

[11] BIA/BG-Empfehlungen zur Überwachung von Arbeitsbereichen Anästhesiearbeitsplätze – Aufwachräume. BIA-Arbeitsmappe 17, LFG.X/96

Strahlenschutz in der Schwangerschaft

Strahlenwirkung 

Grundsätzlich kann ionisierende Strahlung Schäden an Zellen hervorrufen. Dabei werden zwei Kategorien biologischer Strahlenwirkung unterschieden: deterministische (vorherbestimmbare) und stochastische (zufällige). Beide hängen von der Menge der Strahlenenergie ab, die auf den Körper einwirkt. Gemessen wird diese in der Einheit Milli-Sievert (mSv).

Ein fruchtschädigender Effekt durch Röntgenstrahlung in Form einer deterministischen Strahlenwirkung konnte ab 50mSv nachgewiesen werden. Diese Strahlendosis (Äquivalentdosis Gebärmutter) kann bei Tragen einer Röntgenschürze nahezu nicht erreicht werden. 

Eine Gebärmutterdosis von 50 mSv wird in etwa durch 2 CT-Becken-Aufnahmen, 500 CT-Schädelaufnahmen oder 25 Röntgenaufnahmen der LWS erreicht, bei der keine Röntgenschürze getragen wird. Die deterministische Strahlenwirkung ist abhängig vom Zeitpunkt der Schwangerschaft zu dem sie auf das ungeborene Kind wirkt. 

Weitere Informationen und Dosiswerte können der Broschüre „Strahlenschutz und Schwangerschaft“ des Bundesamtes für Strahlenschutz entnommen werden:  

Arbeitsbereich einer schwangeren Chirurgin 

Eine relevante Strahlung entsteht z.B. durch den C-Bogen bei Operationen, in denen intraoperativ Röntgenaufnahmen angefertigt werden. 

Der Radius des Kontrollbereichs ist den technischen Informationen des jeweiligen Gerätes zu entnehmen. Er beträgt in der Regel ca. 3-4 m um die Strahlenquelle.

Der Kontrollbereich existiert nur in der Zeit, in der das Gerät Strahlung freisetzt, d.h. während der Durchleuchtung oder Anfertigung von Röntgenbildern. Verlässt die Schwangere während der Durchleuchtung den Kontrollbereich, besteht keine Verpflichtung einer Dosisüberwachung. Bei entsprechenden räumlichen Gegebenheiten ist es ggf. nicht notwendig, den OP-Saal zu verlassen. 

Weitere Informationen finden Sie auch in dem Wikipedia-Artikel Strahlenschutzbereich.

Rechtslage

Für Tätigkeiten von werdenden und stillenden Müttern gelten besondere Schutzbestimmungen, insbesondere im Bereich des Strahlenschutzes. Rechtsgrundlage sind das Mutterschutzgesetz sowie die Strahlenschutzverordnung

Mitteilungspflicht

§ 63 der Strahlenschutzverordnung erläutert die Unterweisungspflicht des Strahlenschutzbeauftragten: 

„(5) Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass im Rahmen der Unterweisungen darauf hingewiesen wird, dass eine Schwangerschaft im Hinblick auf die Risiken einer Exposition für das ungeborene Kind so früh wie möglich mitzuteilen ist und dass beim Vorhandensein von offenen radioaktiven Stoffen eine Kontamination zu einer inneren Exposition eines ungeborenen oder gestillten Kindes führen kann.

Gestaltung des Arbeitsplatzes 

Sobald eine Frau ihren Arbeitgeber oder ihre Arbeitgeberin darüber informiert hat, dass sie schwanger ist oder stillt, sind ihre Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass eine innere beruflich bedingte Strahlenexposition ausgeschlossen ist (§ 69 StrlSchV).

Zutritt zum Kontrollbereich

§ 55 der Strahlenschutzverordnung regelt den Zutritt zum Kontrollbereich: 

„(2) Einer schwangeren Person darf der Zutritt

1. zu einem Sperrbereich abweichend zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 nur erlaubt werden, wenn ihr Aufenthalt in diesem Bereich für ihre eigene Untersuchung oder Behandlung erforderlich ist,

2. zu einem Kontrollbereich abweichend zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a und c nur erlaubt werden, wenn der Strahlenschutzbeauftragte oder, wenn er die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzt, der Strahlenschutzverantwortliche

a) ihr den Zutritt gestattet und

b) durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherstellt, dass der besondere Dosisgrenzwert nach § 78 Absatz 4 Satz 2 des Strahlenschutzgesetzes eingehalten und dies dokumentiert wird.

Die Zutrittserlaubnis für schwangere Personen zu Kontrollbereichen nach Satz 1 Nummer 2 oder 3 ist zu dokumentieren. Die Aufzeichnungen sind ab dem Zutritt fünf Jahre aufzubewahren.“

Rolle des Strahlenschutzbeauftragten

Die Entscheidung darüber, ob einer schwangeren Mitarbeiterin der Zutritt zu Kontrollbereichen gewährt wird, trifft prinzipiell der zuständige Strahlenschutzbeauftragte, ggf. auch nach Rücksprache mit der zuständigen Behörde. 

Auch zum Zwecke der Facharztausbildung kann der Zutritt zum Kontrollbereich gerechtfertigt werden. 

Grenzwert während der Schwangerschaft

Für das ungeborene Kind, das auf Grund der Beschäftigung der Mutter einer Strahlenexposition ausgesetzt ist, darf gemäß StrlSchG die Äquivalentdosis vom Zeitpunkt der Mitteilung über die Schwangerschaft bis zu deren Ende den Grenzwert von 1 mSv nicht überschreiten (§ 78 Abs. 4 Satz 2 StrlSchV). Als Äquivalentdosis des ungeborenen Kindes gilt die Organdosis der Gebärmutter der schwangeren Frau: „Bei gebärfähigen Frauen beträgt der Grenzwert für die Organ-Äquivalentdosis der Gebärmutter 2 Millisievert im Monat. Für ein ungeborenes Kind, das auf Grund der Beschäftigung der Mutter einer Exposition ausgesetzt ist, beträgt der Grenzwert der effektiven Dosis vom Zeitpunkt der Mitteilung über die Schwangerschaft bis zu deren Ende 1 Millisievert.“

Messung der Strahlendosis

Die Organdosis ist eine Äquivalentdosis. Nicht berücksichtigt wird dagegen die Strahlenempfindlichkeit der einzelnen Organe. Dazu muss man die Organdosen jeweils mit Gewebe-Wichtungsfaktoren multiplizieren und aufsummieren, so erhält man die effektive Dosis. 

Der Grenzwert der effektiven Dosis der schwangeren Mitarbeiterin liegt bei 1 mSv am Uterus während der gesamten Schwangerschaft. (§ 78 (4) StrlSchG ). 

Nach Aussage des Bundesamts für Strahlenschutz sollte die Messung der intraoperativen Strahlendosis mittels amtlicher Filmdosimeter sowohl 4-wöchig (im Thoraxbereich zu tragen) als auch wöchentlich (auf Uterushöhe zu tragen) erfolgen. 

Das Bundesamt für Strahlenschutz empfiehlt, dass zur wöchentlichen Dosisermittlung ein an der Brust zu tragendes amtliches Personendosimeter und ein zusätzlich zu tragendes betriebliches Personendosimeter verwendet werden soll. Dieses Zweitdosimeter sollen Schwangere grundsätzlich im Bauchbereich tragen, um auch unter ungünstigen Expositionsbedingungen eine sichere Abschätzung der Gebärmutterdosis bzw. der Dosis des ungeborenen Kindes zu erhalten.

Zusätzlich existieren auch direkt auslesbare Dosimeter. Eine Übersicht findet sich bei Wikipedia.

Im Direktstrahl gepulster Strahlungsfelder (Röntgen, Beschleuniger) kann die Dosisleistung im Puls wesentlich höher als 1 Sv/h sein. Für diesen Fall ist das Dosimeter nicht geeignet, da es zu einer deutlichen Unterschätzung der Dosis führen kann. Im Streustrahl und beim Tragen unter einer Bleischürze liegen die Dosisleistungswerte im Allgemeinen im Messbereich des Dosimeters. Hier bietet sich ein sogenanntes OSL-Dosimeter an.

Fazit für die Praxis:  

  1. Nach Rücksprache mit dem Strahlenschutzbeauftragten kann einer schwangeren Mitarbeiterin der Zutritt zum Kontrollbereich erlaubt werden. 
  2. Der Grenzwert der effektiven Dosis der schwangeren Mitarbeiterin liegt bei 1 mSv am Uterus während der gesamten Schwangerschaft. 
  3. Verlässt die Schwangere während der Strahlungsanwendung den Kontrollbereich ist keine spezielle Dosismessung notwendig. 
  4. Ist die schwangere Mitarbeiterin regelmäßig im Kontrollbereich tätig, wird empfohlen, zusätzlich ein wöchentlich ablesbares Dosimeter auf Uterushöhe zu tragen. Auf Wunsch kann die Dosismessung durch ein elektronisches Personendosimeter/OSL ergänzt werden. 

Infektionsrisiko bei operativer Tätigkeit

Um das Infektionsrisiko für eine Frau im gebärfähigen Alter abschätzen zu können, ist es wichtig, den Übertragungsweg verschiedener Erreger zu kennen. Eine Übertragung kann aerogen bzw. durch Tröpfchen, fäkal-oral, über Schmierkontakt oder parenteral erfolgen. Das Infektionsrisiko variiert u.a. entsprechend der Erregerlast (z.B. Viruslast bei HIV).

Die Erreger können direkt durch Patienten- und Personalkontakt, oder indirekt durch Kontakt mit Untersuchungsproben, kontaminierten Oberflächen und Gegenständen übertragen werden.

Eine Übersicht zum jeweiligen Ansteckungsmodus gibt der Ausschuss für Mutterschutz.[1]

Nach aktueller Einschätzung handelt es sich bei den nicht-impräventablen viralen Erregern Parvovirus B19 und CMV um die risikoreichsten Infektionen unter den schwangerschaftsrelevanten Biostoffen. Beide Erreger werden vor allem von unter drei- bzw. unter sechsjährigen Kindern übertragen und dies vor allem durch außerberufliche Exposition. Weitere Informationen.[2]

Immunitätsstatus der Schwangeren 

Deshalb ist auch eine frühzeitige Prophylaxe vor Infektionskrankheiten der beste Schutz für die Mutter und das ungeborene Kind. Frauen im gebärfähigen Alter mit Kinderwunsch sollten einen aktuellen Impfstatus nach Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) besitzen bzw. entsprechend eine Grundimmunisierung oder Auffrischungsimpfung durchführen lassen. Eine Übersicht bietet Röbl-Mathieu et al. Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) wird empfohlen, die Immunitätslage gegenüber besonders relevanten Krankheitserregern festzustellen. Bei einer chirurgisch tätigen Ärztin sind nach den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des RKI folgende Schutzimpfungen bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft zu empfehlen: 

  • Masern*
  • Mumps*
  • Röteln*
  • Varizellen (Windpocken)*
  • Pertussis (Keuchhusten)
  • Tetanus
  • Diphtherie
  • Poliomyelitis (Kinderlähmung)
  • Influenza
  • Hepatitis A
  • Hepatitis B

* Hierbei handelt es sich um Lebendimpfungen, die während einer Schwangerschaft nicht durchgeführt werden können.

Nach Bekanntgabe der Schwangerschaft sollte der Immunitätsstatus der Schwangeren überprüft und ggf. aktualisiert werden. In einem von Wicker et al. untersuchten Kollektiv von 424 Schwangeren wies nur eine Rate von 57,1 Prozent eine vollständige Immunität gegenüber den vier untersuchten impfpräventablen Erregern (MMR und VZV) auf.[3]

Die Immunitätslage zu weiteren Krankheitserregern ist zusätzlich – in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Gynäkologen – entsprechend der S2k-Leitlinie „093-001 Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen“ zu bestimmen. Hierzu zählt vor allem der so genannte ToRCH-Komplex: 

  • Toxoplasmose
  • others (Parvovirus B19, Chlamydien, Streptokokken B, Hepatitis, HIV, Coxsackie-Virus, Lues Listeriose, Masern, Mumps, Gonokokken, Mykoplasmen, Trichomonaden, Zytomegalievirus)
  • Röteln 
  • Cytomegalie 
  • Herpesviren (Herpes simplex, Varizellen)

Eine ggf. vorliegende Seronegativität der schwangeren Ärztin gegenüber einem oder mehrerer der oben angeführten Erreger sollte in der individuellen Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes berücksichtigt werden. Ein etwaiges Beschäftigungsverbot sollte nicht automatisch erfolgen, sondern anhand der bestehenden wissenschaftlichen Evidenz. Eine Übersicht zu den entsprechenden Risiken der Erreger für Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen in England haben Chin et al. erstellt.[4]

Infektionsrisiko bei operativer Tätigkeit durch blutübertragbare Erreger 

Die operative Tätigkeit in den unterschiedlichen chirurgischen Fachdisziplinen birgt ein potenzielles Risiko der Übertragung des Hepatitis-B-Virus (HBV), Hepatitis-C-Virus (HCV) und des humanen Immundefizienz-Virus (HIV). Ein besonderes Infektionsrisiko für die blutübertragbaren Erreger ergibt sich durch Nadelstichverletzungen (NSV: Stich-, Schnitt- oder ähnliche Verletzungen). Die Europäische Kommission geht von ca. 1 Million Nadelstichen jährlich in der EU aus (https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=329&langId=de&videosId=2607&furtherVideos=yes).[5] Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat mit 50 bis 75 Prozent das Pflegepersonal als die am häufigsten von Stich- und Schnittverletzungen betroffene Berufsgruppe identifiziert, gefolgt von Ärztinnen und Ärzten (https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3050).

Bei dem impfpräventablen HBV-Erreger ist ein suffizienter HBV-Immunschutz Grundvoraussetzung für eine chirurgische Tätigkeit. Sollte eine werdende Mutter weiter chirurgisch tätig sein, so steht man vor dem Problem, dass es bei den nicht-impfpräventablen Erregern HCV und HIV u. U. nach einer NSV zu einer Übertragung auf das Ungeborene kommen kann. Sollte es zu einer Erreger-Transmission/Exposition kommen, sind Einschränkungen bei der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Therapie und ggfs. Änderungen der HIV-Postexpositionsprohylaxe (PEP) zu erwarten. Das Risiko, eine HCV-Infektion nach NSV mit HCV-kontaminierten Material zu entwickeln, ist im Durchschnitt kleiner als 1 Prozent und beträgt bei europäischen Patienten ca. 0,42 Prozent.[6] Die Serokonversionsrate nach NSV wird bei HIV auf unter 0,3 Prozent geschätzt, bei HCV auf 3%.[7]

Zusätzlich zur Anpassung des OP-Umfeldes kann durch folgende Maßnahmen das Übertragungsrisiko von HCV und HIV auf ein vertretbares Minimum reduziert werden: 

  • Präoperatives Patienten-Screening auf Hepatitis-C-Antikörper und HIV-Antikörper mit Negativitätsnachweis[8]
  • Durchführung rein elektiver Eingriffe
  • Einsatz von stichsicheren Instrumenten zur Reduktion des Risikos einer NSV, da wo es möglich ist[9]
  • Verringerung der Rate an potenziellen Blutkontakten durch das Tragen eines Schutzvisiers sowie doppelter (Indikator-)Handschuhe[10]

Das präoperative Patientenscreening (HCV, HIV) – obwohl kontrovers diskutiert – wird von vielen Kliniken bereits routinemäßig bei größeren Eingriffen zum Schutz des Personals und der Patienten durchgeführt. Es kann gut im Alltag integriert werden und ist für Elektiveingriffe am Folgetag verfügbar. Die für die HIV-Testung erforderliche schriftliche Zustimmung des Patienten oder der Patientin kann zusammen mit der Einverständniserklärung zum elektiven Eingriff erfolgen.

SARS-CoV2 und seine Relevanz für die chirurgisch tätige Ärztin

Das gemeinhin als „Corona-Virus“ bekannte Virus SARS-CoV2 spielte durch die COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020-2022 eine relevante Rolle im globalen Gesundheitswesen. Die Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus für Schwangere wurde durch die rasch hintereinander auftretenden Virusvarianten erschwert. Die Einschätzung des Ausschusses für Mutterschutz vom 2.9.2022 lautet folgendermaßen:

  • Nach bisherigen Erkenntnissen haben Schwangere kein erhöhtes Ansteckungsrisiko.
  • SARS-CoV-2-Infektionen mit der seit Januar 2022 dominanten Omikron-Variante verlaufen im Allgemeinen und vor allem bei Geimpften vergleichsweise mild, häufig auch asymptomatisch. Dies gilt auch für Schwangere.
  • Die bisherigen Impfstoffe bieten keinen sicheren Schutz vor Infektionen mit der Omikron-Variante, jedoch einen guten Schutz vor schweren Erkrankungsverläufen.
  • Bei der bis 2021 vorherrschenden Delta-Virusvariante hatten sich im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft dagegen schwere, auch tödliche Erkrankungen gezeigt.
  • Bislang gibt es keinerlei Hinweise auf virusspezifische embryotoxische oder fetotoxische Wirkungen.
  • Das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 durch Muttermilch ist weiterhin unklar, aber unwahrscheinlich.
  • Das Stillen wird aber auch erkrankten oder mit SARS-CoV-2 infizierten Müttern empfohlen, vgl. DGGG, Empfehlungspapier zu SARS-CoV-2/COVID-19 in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

Die STIKO empfiehlt zum 25.5.2023 eine COVID-19-Impfung für alle Schwangeren und Stillenden ohne vollständigen Impfstatus. Allen gebärfähigen Frauen wird die Impfung bereits vor Eintreten der Schwangerschaft nahegelegt. 

SARS-CoV2 wird vornehmlich in Tröpfchenform und als Aerosol übertragen. Schmierinfektionen spielen in der Praxis kaum eine Rolle. Welche Gefahrensituationen sich daraus ergeben, führt der Ausschuss für Mutterschutz ausführlich aus.

Nach Abklingen der Pandemie und dem allmählichen Übergang in eine endemische Lage, stellt das Weiterarbeiten von Chirurginnen keine „unverantwortbare Gefährdung“ dar. Es stellt sich die Frage, ob angesichts der gegenwärtigen Entwicklung des Infektionsgeschehens besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Dies sollte im Rahmen der individuellen Gefährdungsbeurteilung und unter Berücksichtigung des saisonalen Infektionsgeschehens beurteilt werden. Weitere Informationen

Der Ausschuss für Mutterschutz führt zu den Schutzmaßnahmen gegen SARS-CoV2 aus:

  • Sofern – ggf. auch trotz steigender Infektionszahlen – seitens der für den Infektionsschutz zuständigen Behörden eine Verschärfung der Infektionsschutzmaßnahmen nicht für geboten gehalten wird, braucht der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ebenfalls keine Verschärfung der betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen vorzusehen. Einmal erteilte Beschäftigungsverbote sind vor dem Hintergrund eines sich ändernden Infektionsschutzstandards auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen.
  • Basisschutzmaßnahmen: regelmäßige Händehygiene, Abstand halten, häufiges Lüften
  • Eine FFP2 Maske schützt Schwangere adäquat, auch wenn Kontaktpersonen keine Maske tragen.

Fazit für die Praxis

Sollte eine werdende Mutter weiter chirurgisch tätig sein, ist ihr aktueller Immunitätsstatus zu prüfen und ggf. zu aktualisieren. Durch die Anpassung des OP-Umfeldes sowie das präoperative Patienten-Screening auf Hepatitis-C-Antikörper und HIV-Antikörper kann das Risiko einer Übertragung dieser nicht-impfpräventablen Erreger auf ein vertretbares Minimum reduziert werden. 


Quellen

[1] + [2]  Information zur Relevanz von Infektionserregern in Deutschland aus Sicht des Mutterschutzes

[3] S. Wicker: Seroprävalenz von Antikörpern gegen schwangerschaftsrelevante virale Infektionserreger bei Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen. Bundesgesundheitsbl 2012:. 55:923–931.

[4] T. L. Chin, A. P. MacGowan, S. K. Jacobson, M. Donati: Viral infections in pregnancy: advice for healthcare workers. Journal of Hospital Infection 87 (2014) 11-24.

[5]  Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente am Arbeitsplatz. Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

[6] C. Sarrazin, T. Berg, R. S. Rosset al: Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. Z Gastroenterol 48 (2010):289–351; A. Kubitschke, C. Bader, H. L. Tillmann et al: Verletzungen mit Hepatitis C-Virus-kontaminierten Nadeln. Internist 48 (2007):1165–1172 ; S. Wicker: Blutübertragbare Infektionen und die schwangere Mitarbeiterin im Gesundheitswesen. Chirurg 2012. 83:136–142. 

[7] J. L. Gerberding: Occupational exposure to HIV in health care settings. N Engl J Med 348  JL (2003): 826–833 ; S. Wicker: Blutübertragbare Infektionen und die schwangere Mitarbeiterin im Gesundheitswesen. Chirurg 2012 • 83:136–142. 

[8] S. Wicker, S.: Blutübertragbare Infektionen und die schwangere Mitarbeiterin im Gesundheitswesen. Chirurg 2012. 83:136–142.

[9] S. Wicker, A. M.Ludwig, R. Gottschalk, H. F. Rabenau: NSI among HCW: Occupational hazard or avoidable hazard? Wien Klin Wochenschr 120  (2008): 486–492. 

[10] L. M. Kinlin, M. A. Mittleman, A. D. Harris et al: Use of gloves and reduction of risk of injury caused by needles or sharp medical devices in healthcare workers: results from a case-crossover study. Infect Control Hosp Epidemiol 31  (2010): 908–91

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