Erfahrungsbericht von Luise Alber

Fachrichtung: Allgemein- und Viszeralchirurgie
Position während der Schwangerschaft: Ärztin in Weiterbildung, 2.-3. Ausbildungsjahr
Bekanntgabe der Schwangerschaft: 18. SSW
Strukturierte Vorgehensweise in der Klinik vorhanden? Nein
Wurde eine individuelle Gefährdungsbeurteiluung erstellt? Ja

Die Bekanntgabe meiner Schwangerschaft erfolgte in der 18. Schwangerschaftswoche. Ich hatte das bis zu diesem Zeitpunkt hinausgezögert, um weiter operieren zu dürfen, musste es dann aber bekanntgeben, da bei mir ab Januar eine Rotation angestanden hätte, die eine gewisse Vorlaufzeit zur Planung erforderlich macht und die ich wegen der Schwangerschaft nicht antreten konnte. Ich äußerte meinem Chefarzt gegenüber von Anfang an den Wunsch, in der Schwangerschaft weiterhin operieren zu dürfen, was er auch unterstütze. Es folgte ein Gespräch beim Betriebsarzt, der die weiteren Schritte uns überlassen wollte.

Von Seiten der Personalabteilung stand als Nächstes die Benachrichtigung des Regierungspräsidiums Freiburg an, welche zuerst über ein dreiseitiges Formular, ähnlich einer verkürzten Version der Gefährdungsbeurteilung, erfolgte. Darin wurden bereits alle Bereiche abgefragt, welche eine potenzielle Gefährdung für mich und/oder das ungeborene Kind darstellen könnten. Zum Schluss konnten, sofern erforderlich, Änderungen der Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen eingetragen und diese frei formuliert werden. Mein Chefarzt und ich schlossen den OP als Arbeitsplatz in der Schwangerschaft unter bestimmten Schutzmaßnahmen ein und orientierten uns beim Ausfüllen an den Vorschlägen der OpidS-Initiative, wobei wir die Art der Operationen noch etwas weiter einschränkten (z.B. nur laparoskopische Operationen und nur Operationen ohne Röntgen-Durchleuchtung).

Die eingereichte Benachrichtigung wurde vom Regierungspräsidium (RP) Freiburg ans Landesversorgungsamt des Regierungspräsidium Stuttgart weitergeleitet, wo sie von einer Ärztin mit der Begründung abgelehnt wurde, dass eine schwangere Frau im OP einer Reihe von „unverantwortbaren Gefährdungen“ ausgesetzt sei. Hierbei wurden konkret der Kontakt zu Infektionserregern, welche sich in allen Körperflüssigkeiten befinden können, genannt – hierbei sei der Infektionsweg bei Viren nicht vollständig geklärt. Auch könnten sogenannte stichsichere Instrumente zu Verletzungen führen, Schutzhandschuhe könnten reißen – zudem seien Notfallsituationen und Hektik im OP alltäglich und weiterhin auch die Thrombose- und Ödemgefahr sowie monotone Körperhaltungen zu bedenken. Vorgeschlagen wurde stattdessen, während der Schwangerschaft grundsätzlich nicht mehr an Operationen teilzunehmen. Weiterhin wurde auf den Ende 2018 vom RP Stuttgart erstellten „Leitfaden zum Mutterschutz“ verwiesen, in dem sehr konkret festgelegt wird, welche Tätigkeiten vom RP als zulässig bewertet werden und welche nicht.

Nach dieser ersten Einschätzung des RP wurde mir klinikintern von mehreren Seiten empfohlen, das pauschale Verbot des OPs zu akzeptieren, da sich der Aufwand, dem zu widersprechen, aufgrund schlechter Erfolgsaussichten nicht lohne. Das wollte ich so aber nicht akzeptieren und habe beim RP Freiburg telefonisch um ein persönliches Gespräch mit allen Beteiligten sowie eine Arbeitsplatzbegehung gebeten. Dies wurde mir zugesagt – allerdings müsse vorher ein ausführliche individuelle Gefährdungsbeurteilung erfolgen. Es handelte sich dabei um ein achtseitiges Formular – im Grunde um eine längere Version der bereits eingereichten „Benachrichtigung“. Beim Ausfüllen wurden von meinem Chefarzt und mir nun weitere Einschränkungen, wie beispielsweise der Ausschluss jeglicher potenziell infektiöser Operationen oder das Tragen doppelter Indikatorhandschuhe und eines FFP2-Mund-Nasenschutzes im OP, eingetragen. Auch wurden auf meinen Wunsch zusammen mit der ausgefüllten Gefährdungsbeurteilung das Positionspapier von OpidS, eine Positivliste, der OpidS-Vorschlag zur Gefährdungsbeurteilung, ein aktueller Artikel aus dem Ärzteblatt und weitere, meine Position stützende Dokumente ans Regierungspräsidium Freiburg versandt.

Diese wurden von der zuständigen Sachbearbeiterin mit dem Argument zurückgewiesen, sie seien veraltet, da sie sich noch auf die Version des Mutterschutzgesetzes vor 2018 bezogen. Auch wurde angemerkt, in der eingereichten Gefährdungsbeurteilung sei keine Risikobeurteilung und keine Stellungnahme zu unverantwortbaren Tätigkeiten erfolgt, welche untersagt seien. Inhaltlich wurden weiterhin die diagnostische Lücke bei HIV-Infektionen angebracht und die Argumente der Infektionsgefahr wie in der ersten Rückmeldung wiederholt. Trotz erneuter Anpassung und Ergänzung der (sehr ausführlichen) individuellen Gefährdungsbeurteilung kam es letztendlich in meinem Fall nicht zu dem von mir gewünschten persönlichen Gespräch mit den Vertretern und Vertreterinnen des RP, da ich erst kurz vor Beginn meines Mutterschutzes eine weitere Rückmeldung vom RP bekam. Hierbei wurde erneut der OP als Arbeitsplatz in der Schwangerschaft vom gewerbsärztlichen Dienst durch die Ärztin vom RP aus Stuttgart abgelehnt. Der gesamte Prozess hatte sich über insgesamt vier Monate hingezogen und ich wurde auf Nachfragen mehrfach darauf hingewiesen, dass nicht ich zu entscheiden hätte, was ich in der Schwangerschaft beruflich noch dürfe und was nicht.

Es ist sehr schade, dass die Regierungspräsidien Freiburg und Stuttgart den Einsatz schwangerer Ärztinnen im OP so vehement ablehnen und das Arbeitsfeld OP pauschal als zu gefährlich für werdende Mutter und Kind einstufen. Zudem konnte dies in meinem Fall nicht persönlich besprochen werden und es fand keine Arbeitsplatzbegehung statt, welche möglicherweise zu einer realistischeren Einschätzung der Gefahren im OP beigetragen hätte. Ich habe mich damit im Nachhinein nochmal per Mail ans RP Freiburg gewandt und die Hoffnung ausgedrückt, dass ein Umdenken und eine Orientierung an anderen Bundesländern stattfinden kann.

Luise Albers ist Assistenzärztin in Freiburg. Der Bericht bezieht sich auf das Jahr 2023.

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