Erfahrungsbericht einer Fachärztin für O und U

Ich bin Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie und Mutter eines drei Monate alten Sohnes, zurzeit in Elternzeit.

Mit Freude habe ich von den Projekten „Operieren in der Schwangerschaft“ und „Weißbuch Familie“ gelesen und finde es total gut und wichtig, dass der Staub der Jahrzehnte endlich mal weggeblasen wird und sich jemand für ein modernes, umsetzbares Leben als Chirurgin oder Chirurg mit Kindern einsetzt. Das ist eine große Aufgabe und ich finde es toll, dass Sie das angehen.

Ich selbst habe vor nicht mal einem Jahr meine Schwangerschaft offiziell dem Arbeitgeber gemeldet mit dem Ergebnis, dass ich u.a. sofortiges allgemeines OP-Verbot erhalten habe. Zum Schutz der Mutter und des Kindes. Dafür habe ich die Betreuung einer kompletten Station, wo sonst zwei bis drei Assistenten beschäftigt sind, „gewonnen“, plus das wunderbare Gefühl bei jedem Notfall/Problemchen von den anderen Stationen/Sprechstunden/Ambulanz/jungen Kollegen angerufen zu werden, weil man mich im Gegensatz zu den zuständigen Kollegen immer erreichen konnte. Aufgaben delegieren war kaum möglich, weil alle anderen ja im OP waren.

Alles in allem hatte ich mehr zu tun und mehr Stress als vor der Schwangerschaft. Das kategorische OP-Verbot habe ich als persönliche Bestrafung empfunden. Sollte ich nochmal schwanger werden, werde ich wahrscheinlich die Schwangerschaft so spät wie möglich anzeigen, sollte sich an der Auslegung des Mutterschutzes nichts ändern.

Eine Kollegin hat ihre Schwangerschaften aus diesem Grund erst im sechsten bzw. siebten Monat bekannt gegeben, hatte aber den Vorteil, dass ihr Mann die Narkosen gemacht hat und der Trend plötzlich zur Regionalanästhesie ging. Es erschließt sich mir nicht, warum ich zum Beispiel nicht einem jungen Kollegen bei einer Kniearthroskopie in Spinalanästhesie assistieren sollte.

Daher begrüße ich die Erarbeitung eines Positionspapieres sehr.

Bezüglich des „Weißbuchs Familie“ kann ich das „Dschungelbuch“ des Verbands berufstätiger Mütter sehr empfehlen. Hier sind gute Vorschläge zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch Vorschläge zur attraktiven Gestaltung des Arbeitsplatzes für Familienväter/-mütter von Seiten des Arbeitgebers aufgeführt. Beispielsweise einen Büroraum mit ein oder zwei Arbeitsplätzen kindgerecht auszustatten (gesicherte Steckdosen, Kinderbett, Spielecke), damit Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung der Tagesmutter ihre Kinder mitnehmen können und den „Bürotag“ für die Abarbeitung des Papierwusts nutzen können (oder auch nur für die ersten Stunden des Arbeitstages bis eine Ersatzbetreuung organisiert ist). Oder dass der Arbeitgeber für Eltern eine „Notkinderbetreuung“ vorhält, falls die normale Kinderbetreuung ausfällt.

Anonyme Autorin, Fachärztin in der Weiterbildung zur speziellen Unfallchirurgin in einer Klinik der Grund- und Regelversorgung in Schleswig-Holstein

  • MitmachenMitmachen
  • Kontakt Kontakt