Rechtliches

Mit Bekanntgabe einer Schwangerschaft unterliegen Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen[1], dem Mutterschutzgesetz (MuSchG). Das Gesetz umfasst Arbeitsverhältnisse in Voll- oder Teilzeit, haupt- oder nebenberufliches Arbeiten, Aushilfstätigkeiten und/oder auch ein Ausbildungsverhältnis. Vom Mutterschutzgesetz ausgenommen sind Selbstständige. Seit der Novellierung 2018 gilt es auch für (Medizin-)studentinnen.

Die bisherige „Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz“ (MuSchArbV) wurde zum 1. Januar 2018 in das novellierte Mutterschutzgesetz integriert. Sie entsprach inhaltlich der „Mutterschutzrichtlinienverordnung“ (MuSchRiV). Mit letzterer wurde die europäische Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG in nationales Recht umgesetzt. Sie ist maßgebliche rechtliche Vorgabe des europäischen Gemeinschaftsrechts.

Die europäische Mutterschutzrichtlinie definiert seit 1992 europaweit Mindeststandards für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Zudem enthält die Mutterschutzrichtlinie auch die Verankerung von arbeitsrechtlichen und finanziellen Ansprüchen. 

Weitere allgemeine Schutzvorschriften im Hinblick auf besondere Tätigkeitsfelder sind unter anderem in folgenden Verordnungen geregelt: 

Die Überwachung und Einhaltung des MuSchG als der maßgeblichen nationalen Regelung obliegt den nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden.

Die Organisationsstruktur ist föderal, Sachverhalte werden zwischen den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Die Aufsichtsbehörden sind vor allem zuständig für die Meldungen der Arbeitgeber oder Arbeitgeberinnen, können jedoch auch gemäß § 29 Abs. 3 MuSchG Maßnahmen anordnen.


[1] Weitere Berechtigte - siehe § 1 Abs. 2 MuSchG.

Ein gesetzlicher Mitteilungszwang zur Bekanntgabe der Schwangerschaft besteht nicht. Es ist die freie Entscheidung der Schwangeren, ob und wann sie ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin melden möchte. Gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 MuSchG soll eine werdende Mutter dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Entbindungstag mitteilen. In ihrem eigenen Interesse sollte sie die Schwangerschaft dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin möglichst frühzeitig mitteilen, da ansonsten der gesetzliche Schutz nach dem Mutterschutzgesetz und insbesondere auch der Kündigungsschutz nicht zur Anwendung kommt.

Nach Bekanntgabe der Schwangerschaft ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin nach § 27 MuSchG verpflichtet, der Aufsichtsbehörde die Beschäftigung einer werdenden Mutter und den voraussichtlichen Entbindungstag unverzüglich mitzuteilen. Er ist außerdem verpflichtet, der Aufsichtsbehörde nähere Angaben über die Art der Beschäftigung und die Arbeitsbedingungen zu machen, wenn diese ihn dazu auffordert. Zuwiderhandlungen gegen die Mitteilungs- und Auskunftspflicht durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach § 32 Absatz 1 Ziffer 11 MuSchG geahndet werden kann.

Nach Bekanntgabe der Schwangerschaft ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin nach § 14 MuSchG verpflichtet, rechtzeitig eine Gefährdungsbeurteilung des individuellen Arbeitsplatzes vorzunehmen und Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen. Im Regelfall übernimmt diese Aufgabe der zuständige Betriebsarzt oder -ärztin.

Die individuelle Gefährdungsbeurteilung legt den Tätigkeitsbereich sowie entsprechende Schutzmaßnahmen nach Bekanntgabe der Schwangerschaft fest. Sie wird vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin an das zuständige Gewerbeaufsichtsamt übermittelt.

Grundsätzlich ist durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin zunächst zu prüfen, ob durch eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes die Gefährdung für die schwangere Ärztin behoben werden kann. Ist die Umgestaltung nicht möglich oder nicht zumutbar, erfolgt ein Arbeitsplatzwechsel, oder die Schwangere muss als letzte Konsequenz von der Arbeit freigestellt werden (§13 MuSchG, Rangfolge der Schutzmaßnahmen). 

Schwangere Ärztinnen im chirurgischen Bereich müssen sich im Kontext des § 11 MuSchG (Unzulässige Tätigkeiten) mit folgenden für ihren Beruf relevanten Thematiken befassen:

(1) Schwere körperliche Arbeiten (z. B. Lagerungstätigkeiten, siehe auch OP-Umfeld);

(2) Arbeiten, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen (z. B. Zytostatika) oder Strahlen (z. B. Röntgen), […] und Gasen oder Dämpfen (z.B. Narkosegase, siehe auch Narkose) ausgesetzt sind;

(3) Kontakt zu Biostoffen der Risikogruppe 2, 3 oder 4 oder Rötelnvirus oder Toxoplasma, Infektionsgefahr;

(4) Ständig stehende Beschäftigung über vier Stunden nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats, siehe auch OP-Umfeld.

Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ist verpflichtet, die in der individuellen Gefährdungsbeurteilung definierten Schutzmaßnahmen zu organisieren und diese zu kontrollieren, bzw. die Kontrolle zu delegieren. Die Schwangere ihrerseits ist persönlich für die Einhaltung der ihr vorgegebenen Schutzmaßnahmen verantwortlich. Im Schadensfall kann es zu umfangreichen Verschuldens- und Kausalitätsfragen kommen, die im Zweifelsfall nur gerichtlich geklärt werden könnten. Dies sollte im Interesse aller vermieden werden.

Die gesetzlichen Bestimmungen zum Mutterschutz wurden 1952 verabschiedet und 2018 novelliert und „schützt die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit. Das Gesetz ermöglicht es der Frau, ihre Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortzusetzen und wirkt Benachteiligungen während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit entgegen.“

Das europäische Recht, vgl. europäische Mutterschutzrichtlinie, besagt jedoch auch: 

„Der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen darf Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen; er darf ferner nicht die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beeinträchtigen.“ 

Durch ein Beschäftigungsverbot, welches jegliche Tätigkeit im OP-Saal generell ausschließt, kommt es vor allem während der Weiterbildung zu einer Benachteiligung, da schwangere betroffene Ärztinnen/Chirurginnen ihre für den Facharztkatalog geforderten Eingriffe nicht leisten dürfen. Als Konsequenz geben viele Ärztinnen ihre Schwangerschaft erst sehr spät bekannt, um möglichst lange die für den Weiterbildungskatalog erforderlichen Eingriffe durchführen zu können. Mit den weit verbreiteten „Absprachen unter vier Augen“ bewegt man sich rechtlich in einer Grauzone.

Sinnvoll ist es daher, der schwangeren Chirurgin ein Mitspracherecht einzuräumen und frühzeitig gemeinsam den Arbeitsplatz – dies schließt den OP-Saal als Tätigkeitsfeld ein – nach dem neuesten Stand der medizinischen Möglichkeiten sicher zu gestalten. 

Problematisch erscheint hierbei der Umstand, dass die Auslegung und Anwendung der Gesetzestexte Ländersache ist. So kann es vorkommen, dass in einem Bundesland eine schwangere Ärztin ihre operative Tätigkeit fortsetzen kann, wohingegen im benachbarten Bundesland ein Beschäftigungsverbot für den OP-Saal ausgesprochen wird. Dies führt zu erheblicher Verunsicherung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern oder Arbeitgeberinnen. Hier kann nur eine bundeseinheitliche Regelung und die Orientierung an wissenschaftlichen Erkenntnissen zielführend sein.  Zu diesem Zweck wurde der „Ausschuss für Mutterschutz“ ins Leben gerufen.

Die Gesetzestexte des Mutterschutzes schließen eine operative Tätigkeit während der Schwangerschaft nicht aus. In der Umsetzung gibt es erhebliche landesspezifische Abweichungen. 

Die Schwangerschaft sollte dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin frühzeitig bekannt gegeben werden, um von den Regelungen des Mutterschutzgesetzes zu profitieren. Sollte die werdende Mutter ihre operative Tätigkeit während der Schwangerschaft fortsetzen können, ist es erforderlich, gemeinsam mit Betriebsärztin oder Betriebsarzt und den Fachvorgesetzten eine individuelle Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.

Die Gewerbeaufsicht ist die zuständige Behörde für die Einhaltung von Vorschriften des Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes. In einzelnen Bundesländern wird die Gewerbeaufsicht auch als Amt für Arbeitsschutz oder als Staatliches Umweltamt bezeichnet. Ihr obliegt die Überwachung und die Erteilung von Genehmigungen der ihr zugewiesenen Vorschriften.[1]

Im Fall des Mutterschutzgesetzes wird das Ergebnis der individuellen Gefährdungsbeurteilung vom Arbeitgeber oder von der Arbeitgeberin an das zuständige Gewerbeaufsichtsamt weitergeleitet und von diesem geprüft. Da jedes Bundesland u. a. sogar mehrere zuständige Behörden hat, ist es sinnvoll, vorab den Kontakt mit dem entsprechenden Sachbearbeiter zu suchen und zusammen mit dem Betriebsarzt die individuelle Gefährdungsbeurteilung einzureichen. In einigen Fällen hat es sich bewährt, gemeinsam eine Arbeitsplatzbegehung vor Ort durchzuführen. 

Einige Fachdisziplinen haben separate „Positivlisten“ für ihren Arbeitsbereich erstellt, der die unter entsprechenden Schutzmaßnahmen möglichen Eingriffe detailliert auflistet.

Eine Aufstellung der bundeslandbezogenen Behörden findet sich unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/familienleistungen/aufsichtsbehoerden-fuer-mutterschutz-und-kuendigungsschutz-informationen-der-laender-73648.


[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Gewerbeaufsicht, Stand 15.06.2023

  • Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz und die betriebliche Arbeitsschutzorganisation: https://www.youtube.com/watch?v=YwWvOXS84O0. Die Online-Veranstaltung beginnt ab Minute 7:45 im Video.
  • Eine Übersicht zu möglichen arbeitsrechtlichen Forderungen in der Schwangerschaft
    „Mutterschutz: Der Anspruch jeder Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft“
    Stand 05/22
  • „Beschäftigungsverbote im Krankenhaus – insbesondere das Verbot des Operierens während der Schwangerschaft“; Martin Ruhkamp, Karlsruhe, ArztRecht 2015; 5:117-125
  • „Das betriebliche Beschäftigungsverbot für schwangere Ärztinnen – ein kritischer Bericht aus anwaltlicher Praxis“, Ursula Matthiessen-Kreuder, djbZ Zeitschrift des Deutschen Juristinnenbundes, Heft 3/2022, Seite 123ff
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