Wer haftet im Schadensfall?
Die nachfolgende Beantwortung dieser Frage kann eine rechtliche Prüfung im Einzelfall durch einen Fachanwalt für Medizinrecht nicht ersetzen. Dennoch lassen sich informativ einige Fakten zusammenfassen:
Bei der Operationstätigkeit einer schwangeren Chirurgin sind v.a. zwei Konstellationen denkbar, aus denen eine Haftung der Beteiligten entstehen kann:
a) das ungeborene Kind bzw. die schwangere Ärztin selbst werden bei einer Operation geschädigt (bspw. durch eine Infektion);
b) ein Patient wird geschädigt, da der Chirurgin schwangerschaftsbedingt (mangelnde Konzentration etc.) ein Behandlungsfehler unterläuft.
Konstellation a): Schädigung des Embryos bzw. der schwangeren Chirurgin
Fraglich ist, wer vorliegend haftet – das Klinikum, oder ob die schwangere Ärztin selbst den Schaden tragen muss – und ob die Versicherung des Klinikums (Arbeitsunfall) oder der Ärztin selbst (ggfs. Berufsunfähigkeitsversicherung mit Infektionsklausel) die Regulierung des Schadens übernimmt.
Grundsätzlich greift zugunsten des Arbeitgebers die Unfallversicherung für alle Unfälle, die seinen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsausübung widerfahren. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in die Weiterbeschäftigung der schwangeren Chirurgin eingewilligt hat und der Unfall durch eine Konstellation entstanden ist, die dem Beruf „immanent“ ist und nicht durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Chirurgin herbeigeführt wurde. Verletzt mithin die Chirurgin als Arbeitnehmerin nicht die ihr obliegenden Pflichten – konkretisiert durch die arbeitsvertraglichen Absprachen – muss der Unfall als Arbeitsunfall gewertet werden. Verliert hingegen die Arbeitnehmerin das ungeborene Leben im Rahmen eines Arbeitsunfalls (infolge einer Infektion o.ä.), ist fraglich, ob eine Versicherung „reguliert“ und in welcher Höhe. Für die Beantwortung dieser Frage muss die Versicherungssituation im konkreten Fall rechtlich bewertet werden. Ist der Unfall und die Verletzung des Embryos auf ein beweisbares Verschulden des Arbeitgebers zurückzuführen, gilt
– unabhängig davon, ob eine Versicherung greift - der Grundsatz: Wer den Embryo im Mutterleib verletzt, haftet dem später mit einem Gesundheitsschaden geborenen Kind (BGH, NJW 1972, 1126).
Anders liegt der Fall, falls die Chirurgin die Schwangerschaft nicht gemeldet hat oder im Falle einer vereinbarten Weiterbeschäftigung mit dem Arbeitgeber die ihr obliegenden Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Kommen dann der Embryo und/oder die Ärztin zu Schaden, wird die Versicherung des Arbeitgebers nicht regulieren und der Arbeitgeber ist mangels Kenntnis bzw. mangels Verschuldens nicht haftbar zu machen. Ob eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder andere Versicherung der Ärztin greift, ist anhand des konkreten Falles zu bewerten.
Konstellation b): Patient wird geschädigt
Grundsätzlich richtet sich die Haftung danach, wer den Schaden, in der Regel eine Körperverletzung mit der Konsequenz eines Anspruches des Patienten v.a. auf Schmerzensgeld und Erstattung der Folgekosten, zu verantworten hat. Bei einem Behandlungsfehler in einem Krankenhaus kann der Patient sowohl das Krankenhaus als auch den behandelnden Arzt in Anspruch nehmen. Beide haften nach außen. Sodann wird relevant, ob bei einer Inanspruchnahme des Klinikums dieses wiederum die schwangere Ärztin in Regress nehmen kann. Dies ist anhand des Einzelfalles zu klären.